THE STUDENT: Sohn Mist

 

Inga Yuzhina (Yuliya Aug) ist alleinerziehende Mutter und hat ein Problem. Ihr Sohn Veniamin (Pyotr Skvortsov) ist nicht nur Opfer einer slavischen Konsonantenverschiebung, er spinnt auch noch. Das ist zunächst nicht weiter ungewöhnlich, er ist in der Pubertät. Da spinnt man halt mal. Und die Eröffnungsszene sieht zunächst auch aus wie ein ganz normaler Familienstreit - Venia war seit Wochen nicht im Schwimmunterricht und will eine Entschuldigung von Mamuschka. Man könnte doch was von "aus religiösen Gründen" schreiben.

Leider entpuppt sich das als nicht nur einfach so daher geredet und Venia fängt an, mit Überzeugung und heiliger Wut aus der Bibel zu zitieren. Und das kreuz und quer, meist Verse über Verbote, Unzucht und des Herrngotts Faible für sadistische Strafen - die entsprechenden Bibelpassagen werden eingeblendet, man kann also mitlesen. Vorausgesetzt, man kann sehr schnell lateinische Zahlen entziffern.

Zunächst entfremdet Venias religiöses Erwachen ihn von seinen Mitmenschen, insbesondere Klassenkameraden und Lehrerschaft (größtenteils ältere Frauen, die noch in der Resignation des Spätsowjetregimes hängengeblieben scheinen und lediglich die Portraits und Fahnen ausgetauscht haben). Lediglich Grigoriy (Aleksandr Gorchilin), der wegen einer kleineren körperlichen Behinderung ausgegrenzt und gehänselt wird, läßt sich auf Venia ein und versichert ihm, seinen Glauben zu teilen. Was tut man halt nicht, um von irgendjemandem akzeptiert zu werden. THE STUDENT ((M)uchenik) basiert auf einem Theaterstück, Schauplätze und Besetzung sind entsprechend überschaubar. Das ist nicht schlimm, es bleibt Zeit die Charaktere zu erörtern und auch in den zunächst unsympathischsten Figuren ein Stück Menschlichkeit aufzuzeigen.

Allein Venia selbst entzieht sich größtenteils des Mitgefühls der Zuschauer - es gibt zwar Andeutungen bezüglich eines schwierigen Verhältnisses mit dem geschiedenen Vater, aber in erster Linie wird er als psychisch gestört und/oder unnachgiebig fanatisch charakterisiert. Sympathieträger dürfte neben der armen Sau Grigoriy für die meisten die von Viktoriya Isakova wunderbar renitent und überzeugt gespielte Biologielehrerin Elena Krasnova sein, die gewissermaßen als Stellvertreter für den rational wissenschaftlichen Kinoafficiando fungiert - in Anlehnung an den wunderbar vielseitigen englischen Begriff »Proxy« sei hier das Wort »Proxe« geprägt.

Elena läßt sich die rückständigen und unwissenschaftlichen Tiraden des Tunichtguts nicht gefallen und tut alles, um ihn als verblendet bloßzustellen. Paradoxerweise aber macht sie damit alles nur noch schlimmer. Die Rektorin und ihre treue Knechtin empören sich zwar über den Jungen, dann aber auch über die aus ihrer Sicht übertrieben progressiven Lehrmethoden Elenas. Und außerdem schlummert in den Damen auch immer noch ein Rest christlicher Prägung - was in der Bibel steht kann ja nicht ganz falsch sein! Also werden plötzlich die Mädchen der Klasse zu Badeanzug statt Bikini gezwungen, und warum sollte man neben der Evolution nicht auch die Schöpfungsgeschichte lehren? Und irgendwann fällt es leicht, eine Metapher für die vehemente Fortschrittsverweigerung von Konservativen und Fanatikern zu erkennen, die mit Lautstärke und Überzeugung oft mehr bewirken als Menschen mit Ratio und modernem Ethikverständnis.

Es ließe sich noch mehr sagen, aber es ist hoffentlich schon klar geworden, daß THE STUDENT faszinierend genug für eine klare Empfehlung ist. Die Russen wissen halt, wie man Wut, Verzweiflung und andere billige Psychoschlagwörter in den verschiedensten Medien gut rüberbringt. Sie wollen uns quasi fertigmachen, indem sie uns die Abgründe des Seelensumpfs vorspiegeln und wasweißich. Dazu trägt die fantastische Besetzung ebenso bei wie die schlaue Kameraführung, die gerne sehr nah an Geschehen und Gesichter rangeht.

Wer die Gelegenheit hat, Kirill Serebrennikovs kinematisches Drittlingswerk THE STUDENT zu sehen, sollte sich schämen, wenn sie ungenutzt bleibt. Viel Tiefsinn und schwere Kost wird durch grotesk-witzige Dialoge aufgefrischt, es gibt also zu denken und zu lachen, und am Schluß wird kräftig genagelt. Was will man mehr?

THE SALESMAN: Bruch mit der Wendung

 

A Seperation (Jodaeiye Nader az Simin) war genial und der große Durchbruch (milde Anerkennung unter Cineasten) des iranischen Regisseurs mit dem Namen Asghar Farhadi, der iranische Filme im Iran über Iraner macht, die iranische Leben leben. Kurz gesagt: das Schaffen des Mannes ist superkulturell und sein tollster Film wird in jeder Kritik seiner Nachfolgewerke zu Recht gleich zu Beginn zitiert, weil er so toll ist. Und weil der schnell gelangweilte Leser damit gleich die Chance bekommt, sich seines Fachwissens wohlzufühlen oder auch nicht, in welchem Falle hier noch einmal genötigt sei: Schaut A Separation.

Denn wenn man nur ungefähr zwei Stunden Zeit und die Qual der Wahl hat, muß das neue Ding klar abstinken, so unfair das auch sei, denn es ist ja auch viel Gutes dabei. Von vorne: Rana (Taraneh Alidoosti, Frau) und Emad (Shahab Hosseini, Mann) müssen blitzartig umziehen, denn dem alten Heim wird Einsturzgefahr attestiert. Also alle schnell raus und die erstbeste Wohnung vermittelt bekommen, in der noch die alten Sachen der Vormieterin im Flur rumstehen. Muß man mit klarkommen, kommt schon weg irgenwann, Wohnung ist ohnehin nicht für ewig etc. usw.

Der große Wendepunkt kommt, als Rana im Irrtum einem Fremden die Tür öffnet, weil sie Ihren Mann erwartet. Der Fremde ist auch im Irrtum, denn er sucht die Gesellschaft der Exbewohnerin, einer Prostituierten - wie später klar wird. Die Begegnung zwischen Rana und ihm ist eine kurze Auslassung im Film, deren Folge mit Blut zu tun hat, Ranas Blut. Emad trifft sie im Krankenhaus wieder, verstört. Er will Anzeige erstatten, sie weigert sich. Die Situation ist angespannt.

Farhadi beschäftigt erneut eine Ehe und er sich damit. Emad hat Probleme mit der Frau, die sich nach dem Übergriff verschließt, typisch Frau. So muß man sich das als abendländisches Augenpaar zusammenreimen, wenn man das spezifisch iranische Spannungsverhältnis zwischen religiöser Leitkultur und gesellschaftlicher Realität nicht nachvollziehen kann, und wer kann das schon. Das lax getragene Kopftuch verdeckt die weibliche Anmut nicht im Geringsten. Die progressive Mittelschicht dieser Filme hängt klar einer vorajatollischen Zeit nach, wo die Frau dem Mann noch einfach so mit Scheidung drohen kann.

Fort vom fehlgeleiteten politischen Kommentar, zurück zum Film. Jener gibt sich in der Entwicklung seiner Geschichte über weite Strecken behäbig. Da ist Emads Lehreralltag und die abendliche Theaterprobe vom Tod eines Handlungsreisenden, in welcher das Ehepaar vom Ehepaar gespielt wird. Rana richtet sich zu Hause ein. Lange oder für immer bleibt die dramaturgische Relevanz vieler Szenen und Szenarien im Dunkeln. Wohin das alles führt, wird erst klar, als Emad per Zufall auf eine Spur zum Täter stößt, spät in der Laufzeit, nah einem erfreulich befriedigenden Finale. Doch nicht jeder Schritt dorthin hätte sein müssen, auch nicht zum Zwecke der Charakterisierung. Und der Brückenschlag zum Theaterstück im Film, welches im THE SALESMAN (Forushande) heißenden solchen ja mit einer Relevanzerwartung behaftet ist, schlägt ohnehin fehl, denn wer geht denn heute noch ins Theater und hat dementsprechend überhaupt eine Ahnung. Nicht die Kinofritzen.

Wiederholung: Der neueste Streich des feinen Herrn aus dem Teheran ist nur gut. Schaut A Seperation. Einfach klasse.

65DAYSOFSTATIC live: Renitenz gegen die Reminiszenz

 

Im Grunde sind alle Konzertkritiken gleich. Alles supi, prima Stimmung, nette Vibes. Bißchen zu laut, klar, aber die Spätkommer aus der letzten Reihe des Lebens sollen ja auch was mitkriegen dürfen, grr. Oder Pustekuchen, viel zu laut, soll aber so sein wegen Katharse; die Aggros müssen raus. 65DAYSOFSTATIC brettern weg, daß sich die Balken biegen. Scheiß auf die Nuance, der Album-Mix kann nix, schon gar nicht LAUT, und wird konsequent geshreddert. Volles Rohr, das Brett ist fett.

Nachdem man bereits im Post- und Math-Rock mit kräftig Glitch- und Noise-Würze fest etabliert war, kam im jüngsten Album noch der Space (-Rock) hinzu, also das All. Also alles wird jetzt abdeckt; wenn nicht per Genre, dann zumindest per Thema - dank der Kreation des Klangs zum Kontrovers-Kracher No Man's Sky, ein Videospiel, das seines sanftmütigen Soundtracks zum Trotz viel Rage unter seinen Vorbestellern auslöste, weil es nicht das beste Spiel aller Zeiten war, sondern nur einigermaßen passabel. Ob solche Hasser im Publikum dabei sind, wird nicht erörtert. Egal. Daß jene von der live performierten Rückschau auf das eben Gewesene »triggered« würden, erscheint angesichts des harten Durchgreifens gegen das musikalische Detail ohnehin unwahrscheinlich, denn wie gesagt, Brett vs. Aggros, s. oben.

Klar auszumachen hingegen: echte Fans. Vordermann Joe kommt nicht umhin, sich des karrikativ überschwenglichen Applauses mehrfach erkenntlich zu zeigen, bevor er beiläufig und gleichgültig Fehlklänge auf der Stromgitarre anstimmt, um den jeweils nächsten Song einzuleiten. »Song« freilich im metaphysischen Sinne, denn gesungen wird hier gar nix. Bloß, weil Robert Smith (The Cure) keine Zeit für eine Tournee hat oder sich zu schade ist, seinen solitären Gastgesang von dem einen Lied aus dem einen Album vorzutragen. Wer stattdessen sporadisch (zwei Mal) aushilft, sind die Begleiter der Vorgruppe Thought Forms, welche nebenbei bemerkt auch eine Purchase Decision wert sind. Die Aushilfe verhält sich allerdings rein instrumental, denn das hier ist nun mal eine Instrumentalgruppe, und wenn es an der Gitarre, den Synthies oder Drums mal nichts zu tun gibt, wird ekstatisch durch die Luft gefuchtelt. Insbesondere Joe wähnt sich als Dirigent post mortem; den Ton gespielt, den Arm bewegt, in dieser Reihenfolge.

»Bang fürs Buck«, also Fete für die Knete, ist auch dabei. Viel Gejohle für die Kohle. Kaum Moos und doch was los. Laß die Asche in der Tasche: das Ständchen geht zwar keine 65days, aber für 100 Minuten muß keiner bluten. Und hier noch einer für den Dönermann: Spaß am Spieß für wenig Kies. 8/10 would buy again.

BOOKA SHADE live: Heimatfilm

 

Die Tour hat einen Namen: Movements 10. Ein 10-jähriges Jubiläum des Movements Albums. Ein Retro-Konzert, die ollen Kamellen noch mal aufgelegt. Eine gute Idee: Die ollen Kamellen sind immer die besten Kamellen, ohne Ausnahme. Dem Beispiel dürfen andere Gruppen gerne folgen. Denn hat man die Band zu spät entdeckt, ist man der besten live-Erfahrung bereits beraubt; jeder spielt gut 50% neues Album, in das man sich ja noch gar nicht wirklich reingehört hat. Ergebnis: die emotionalen Vibes fehlen total. Buh.

Das "Konzert", das ja, wie bei so Elektronikern üblich, zu einem wesentlichen Teil vorabgemischt ist, wird zum nichtvorabgemischten Teil durch live-Schlagwerk belebt. Einen musikalischen Zweck erfüllt das nicht, gibt aber einen guten Anheizer, auch Animateur genannt. Animation wird als Bühnenhintergrund projiziert, wie man das heute so macht, total State of the Art hier im Heimathafen (Name des Veranstaltungsortes). Allein der liebe Ton hat wie so oft sein liebes Anagramm: Nuancen versumpfen im Bass. Buh.

Eine Zugabe gibt es nicht. Die Show endet nach lässigen ca. 75min, nicht mehr als ein extended Mix des zelebrierten Albums. Die Lichter im Saal bleiben aus, obwohl sie angehen sollten: Angehende Lichter sind das Signal zum Ausgehen; aus dem Saal heraus. Die nonverbale Kommunikation scheitert, weil sich eine Partei nicht an die Abmachung hält. Flachzangen allesamt, diese Veranstalter. Buh.

Der Schwan im Marktbrunnen

 

Vergänglichkeit.  Streben und Vergänglichkeit, werdendes Sein, dabei sein, daran dabei, davor, vorbei. Beispiele, Diskussion. Endloses Gefasel, Diskurs, Kriminalpolizei, Gefasel, Blabla, lose Enden. Viel Gefasel bei der Kriminalpolizei, Streben nach Vergänglichkeit, Sterben. Beilspiele. Kopf auf Stein, Kopfstein. Die Tote auf dem Asphalt, die Taube auf dem Dach.
Regen, Regeneration. Generationenvertrag, unverträglich, ungenesen, vertragen, davongetragen, vom Wind. Wind und Regen, nichts regt sich, außer dem regen Mantel. Darin der Kommissar. Er reckt sich.

Asphaltismus. Begehbarer Asphalt, übergangen. Vergangener Asphalt, alt. Alter Ego, zentrisch, konkav, konzentriert. Der Kommissar auf einem Stuhl, konzentriert. Im Mantel, damit er nicht erfriert, er friert. Ein Gehilfe mit Gehhilfe, sein Gang zum Stuhl – Stuhlgang; der Kommissar auf dem Stuhl, davor ein Tisch. Eine Lampe. Licht im Dunkel, dunkle Augen, es sind die Augen seines Gegners, gegenüber; der Täter, ein Lump. Täterätä.
Stählern die Blicke, blinken, blitzen, stählern, aus Stahl, Diebstahl, Mord! Blutmond, die Kralle des Adlers. Adelheid und ihre Mörder. Kommissar, männlich, geschieden; schade. Täter, männlich, verwitwet, schwarzer Witwer. Schwarz vor Neid, Neidhammel, Pleitegeier, gierig. Ein Vogel mit Ohren, lauschig, trügerisch, die trügende Kraft; Schmerz, der Dolch im Rücken – die Legende des Dolchstößers. Geburt einer Legende, Werden und Vergehen, Neugeburt. Das Ende im Anfang.

Ankunft. Gehilfe kommt an, Kommissar. Am Tisch an. Der Kommissar hat das kommen sehen, er ist nicht umsonst Kommissar. Antizipation wird groß geschrieben, der Kommissar schreibt es auch groß, es ist substantiv für ihn. Antilope wird auch groß geschrieben. Der Kommissar schreibt das auf, er ist auf der Hut; der Teufel steckt im Detail, sein Hut im Schrank. Der Gehilfe beugt sich auf hilfebeugerische Art herab und artikuliert sich herablassend: über die Schlechtigkeit des Seins, die Vergänglichkeit des Schlächters. Er missioniert; der andere ist der Kommissar. Keine Diskussion; Zigarettennebel. In den Nebelschwaden soll dem Bösling Böses schwanen. Der Schwan im Marktbrunnen.

MY BIG NIGHT: Bißfester Spaß im Glas

 

Die Komödie, das schwerste aller filmischer Unterfangen. Der Humor, noch subjektiver als jede andere emotionale Reaktion. Nie kann man es jedem recht machen. Regisseur Álex de la Iglesia kommt der Massenkompatibilität mit MY BIG NIGHT (Mi gran noche) sehr nahe. Die überschwängliche spontane Reaktion eines Festivalpublikums klingt danach.

In Spanien ist immer die Hölle los, zumindest im Film. Draußen wird protestiert und randaliert, während man drinnen einer kapitalistischen Farce nachgeht. In diesem Fall die Voraufzeichnung einer großen Silvestergala mit allem nötigen Glitzer Glitzer, aber ohne echtes Publikum und mit Champagnerattrappen. Der Kamerakran erwischt einen der Statisten, und Jose (Pepón Nieto) erhält das Angebot, den freigewordenen Platz am Tisch zu füllen, wo er auf Kommando klatschen, lächeln und komplett ausrasten soll. Für die Tage andauernden Aufnahmen muß schließlich alles perfekt sein.

Jose fungiert hier weniger als Protagonist denn als Avatar des Zuschauers, der sich in einem großangelegten Ensemble aus Personen und Handlungssträngen zurechtfinden muß, die sich zuweilen nicht direkt kreuzen und dennoch alle aufeinander einwirken. Glücklicherweise aber sind die einzelnen Geschichten in sich konsistent und interessant genug, um auch abseits ihrer Interkonnektivität zu gefallen, so daß allzuviel mentale Eigenleistung des Zuschauers nicht erforderlich ist. Es gibt Inseln innerhalb dieses narrativen Strudels, der wenig Zeit für kritische Reflexion läßt und stattdessen die Lacher zu maximieren sucht.

Das gefühlte Chaos wird bildlich hervorragend unterstützt von einem klaustrophobisch überfüllten Set, in dessen pompöser Enge sich Promis, Produzenten und Proleten unwillkürlich aneinander reiben. Das Tempo wird ständig aufrechterhalten und von Showeinlagen akzentuiert, welche separat vom Beifall gefilmt werden; den Rest erledigt der Schnitt - hier drängt ein Stück Metakommentar aus der Thematik. Der Film ist zweifelsohne makellos konstruiert.

Doch wie steht es nun um den Humor? Die Charaktere in MY BIG NIGHT sind überzeichnete Karrikaturen, die exzentrische Dinge tun, weit entfernt von der erwarteten, normalen Reaktion normaler Menschen. Ein Stück Satire steckt darin, doch subtil genug, um nicht offen anprangernd zu sein. Eine gewisse Affinität zum Absurden wird vorausgesetzt. Dann ist MY BIG NIGHT - subjektiv gesprochen - scheiße lustig.

THE SIMILARS: Wenn der Bart nicht zum Propheten kommt

 

Mexiko: Die Busstation ist eine große Halle mit Reihen von Sitzbänken, einem Ticketbüro, öffentlicher Toiletten und einer Bar. Hier warten Leute auf den Bus. An diesem Abend sind es nur wenige, doch sie haben alle ein dringliches Anliegen. Einer muß ins Krankenhaus, um der Geburt seiner Kinder beizuwohnen. Eine andere muß ins Krankenhaus, um selbst zu gebären. Plus eine Handvoll anderer Personen, die auch irgendwohin müssen, während draußen ein apokalyptischer Regen wütet. Heute fahren keine Busse.

Die Ingredienzien eines guten Kammerspiels sind alle da. Eine Reihe klar definierter Figuren mit gerade genug Hintergrundinformation, um leicht kategorisierbar und dabei noch interessant zu sein. Ein fließender Wechsel im Machtgefüge der Akteure und in der Sympathie des Publikums. Eine Eskalation der Ereignisse und Emotionen, und ein Ereignis höherer Gewalt irgendwo da draußen, das alle gegen ihren Willen auf kleinem Raum zusammenbringt und -hält. Klar ist, daß etwas Übernatürliches vonstatten geht.

THE SIMILARS (Los Parecidos) ist über weite Teile seiner Laufzeit eine großartig angelegte Kakophonie aus Quatsch. Alles schreit danach, bitte nicht zu ernst genommen zu werden - die größte Stärke des Films. In weichgezeichnetem Beinahe-Schwarzweiß entfaltet sich eine Posse, die mit lustigen, skurrilen Begegnungen beginnt, dann plötzlich düster, aber noch skurriler wird, und schließlich wieder sehr lustig, weil am skurrilsten ihren unterhaltsamen Höhepunkt erreicht. Ein Höhepunkt, der jedoch leider nicht deckungsgleich mit dem Finale ist, welches die größte Schwachstelle in Isaac Ezbans eigenwilligem Machwerk darstellt.

Sowie der unweigerliche Drang, die absurden Vorgänge in der Busstation aufzuklären, das bis dahin wunderbar unvorhersehbare Drehbuch kapert, fällt der chaotisch konstruierte Nonsens in sich zusammen und wird auf eine Weise uninteressant, die selbst wieder überraschend ist. Nach all dem grob unerklärlichen Unfug ist die Banalität des Schlußaktes auch deshalb so enttäuschend, weil Isaac Ezban mit allen Mitteln klar macht - hallo, Stimme aus dem Off - daß in dieser unoriginellen Wendung genau das steckt, was uns der Künstler damit sagen will.