Zwei Landschaften

 

Links die Fakten – auf zur Interpretation. Welches Bild gewinnt?

Das Mars-Foto war definitiv teurer. Auch wenn man die Kosten der Spirit-Mission auf sämtliche Fotos aufteilt, ist es immer noch teurer. Genaue Zahlen erübrigen sich hierbei; jedem sollte klar sein, daß ein paar hundert Fotos einer milliardenschweren Marssonde immer teurer bleiben werden als ein paar Papierfetzen und Klebstoff. Trotzdem: Wäre das Kunstwerk unten nicht irgendwann (wahrscheinlich) weggeschmissen worden, könnte es womöglich einen Preis erzielen, das Mars-Foto aber kann sich jeder für lau in Riesenauflösung runterladen. Dieses eine wurde gewählt, weil es zur ersten empfangenen Fotoserie der Sonde gehört. Was zeigt, daß die NASA weiß, was sie tut und einen sicheren Landeplatz gewählt hat, an dem absolut gar nichts los ist.

Was wiederum mal wieder klar macht: Der Baum, der im Wald umfällt, macht eben nur dann ein Geräusch, wenn auch jemand zusieht. Jetzt wurden zwei Sätze hintereinander mit »Was« begonnen. Wichtig oben: Der Mars bestätigt sich als »roter Planet«, ist aber gar nicht so arg anders als unserer. Eigentlich ist es nur die Faszination des Ungreifbaren, weit Entfernten, und daß es ECHT ist. Was die Faszination zu einer ganz anderen macht, als wenn man ein Buch läse. Auch wenn es nichts zu sehen gibt (also auf dem Foto): Irgendwie schon toll, oder? Jetzt ist der Mars plötzlich keine abstrakte Fantasie mehr, sondern eine zwar einfache, aber eben nicht beliebige bildliche Grundlage zur »Wanderlust«, wie der Amerikaner sagen würde. Wollen Sie da nicht auch hin? Nur mal so ein bißchen rumwandern? Au, dieses Kribbeln. Erst werden Sie erstarrt sein vor Überwältigung und dann nicht mehr aufhören können zu laufen, um möglichst jeden Winkel dieser atemberaubenden Ödnis zu erfassen.

Unten fällt zuerst auf: die Hochhäuser, der kackbraune Himmel, die autofreie breite Straße im Vordergrund und davor ein Kiesplatz oder so was, auf dem sich der Betrachter befindet, darin wahrscheinlich eine Pfütze. Perspektivisch nicht ganz einwandfrei, aber gut genug, um einen glaubhaften Eindruck von Räumlichkeit zu vermitteln. Erst dann fällt die Zweidimensionalität der Bildmaterialien auf, insbesondere der zusammenhängende Lageplan, der das ganze Szenario definiert.

Wenn der Ekel aufhört, fängt die Perzeption von Schönheit an. Auf diesem Bild werden Ihre Augen die meiste Zeit verbringen, denn es gibt mehr zu entdecken. Der ruhige Mars hingegen regt das philosophische Gemüt an. Es steht 1:1. Trotzdem: Finden Sie Ihre eigenen Argumente, die Ihr Lieblingsbild zu dem besseren Bild machen. Der Block hat nur die Suppe ins Rollen gebracht, die Sie jetzt ausbaden müssen. Wieder einmal. Ist eine Sauerei, ist aber so.

Dieser Artikel ist ALT. Er erschien zuletzt im Kulturmagazin »remède de cheval«.