65DAYSOFSTATIC live: Renitenz gegen die Reminiszenz

 

Im Grunde sind alle Konzertkritiken gleich. Alles supi, prima Stimmung, nette Vibes. Bißchen zu laut, klar, aber die Spätkommer aus der letzten Reihe des Lebens sollen ja auch was mitkriegen dürfen, grr. Oder Pustekuchen, viel zu laut, soll aber so sein wegen Katharse; die Aggros müssen raus. 65DAYSOFSTATIC brettern weg, daß sich die Balken biegen. Scheiß auf die Nuance, der Album-Mix kann nix, schon gar nicht LAUT, und wird konsequent geshreddert. Volles Rohr, das Brett ist fett.

Nachdem man bereits im Post- und Math-Rock mit kräftig Glitch- und Noise-Würze fest etabliert war, kam im jüngsten Album noch der Space (-Rock) hinzu, also das All. Also alles wird jetzt abdeckt; wenn nicht per Genre, dann zumindest per Thema - dank der Kreation des Klangs zum Kontrovers-Kracher No Man's Sky, ein Videospiel, das seines sanftmütigen Soundtracks zum Trotz viel Rage unter seinen Vorbestellern auslöste, weil es nicht das beste Spiel aller Zeiten war, sondern nur einigermaßen passabel. Ob solche Hasser im Publikum dabei sind, wird nicht erörtert. Egal. Daß jene von der live performierten Rückschau auf das eben Gewesene »triggered« würden, erscheint angesichts des harten Durchgreifens gegen das musikalische Detail ohnehin unwahrscheinlich, denn wie gesagt, Brett vs. Aggros, s. oben.

Klar auszumachen hingegen: echte Fans. Vordermann Joe kommt nicht umhin, sich des karrikativ überschwenglichen Applauses mehrfach erkenntlich zu zeigen, bevor er beiläufig und gleichgültig Fehlklänge auf der Stromgitarre anstimmt, um den jeweils nächsten Song einzuleiten. »Song« freilich im metaphysischen Sinne, denn gesungen wird hier gar nix. Bloß, weil Robert Smith (The Cure) keine Zeit für eine Tournee hat oder sich zu schade ist, seinen solitären Gastgesang von dem einen Lied aus dem einen Album vorzutragen. Wer stattdessen sporadisch (zwei Mal) aushilft, sind die Begleiter der Vorgruppe Thought Forms, welche nebenbei bemerkt auch eine Purchase Decision wert sind. Die Aushilfe verhält sich allerdings rein instrumental, denn das hier ist nun mal eine Instrumentalgruppe, und wenn es an der Gitarre, den Synthies oder Drums mal nichts zu tun gibt, wird ekstatisch durch die Luft gefuchtelt. Insbesondere Joe wähnt sich als Dirigent post mortem; den Ton gespielt, den Arm bewegt, in dieser Reihenfolge.

»Bang fürs Buck«, also Fete für die Knete, ist auch dabei. Viel Gejohle für die Kohle. Kaum Moos und doch was los. Laß die Asche in der Tasche: das Ständchen geht zwar keine 65days, aber für 100 Minuten muß keiner bluten. Und hier noch einer für den Dönermann: Spaß am Spieß für wenig Kies. 8/10 would buy again.