A Seperation (Jodaeiye Nader az Simin) war genial und der große Durchbruch (milde Anerkennung unter Cineasten) des iranischen Regisseurs mit dem Namen Asghar Farhadi, der iranische Filme im Iran über Iraner macht, die iranische Leben leben. Kurz gesagt: das Schaffen des Mannes ist superkulturell und sein tollster Film wird in jeder Kritik seiner Nachfolgewerke zu Recht gleich zu Beginn zitiert, weil er so toll ist. Und weil der schnell gelangweilte Leser damit gleich die Chance bekommt, sich seines Fachwissens wohlzufühlen oder auch nicht, in welchem Falle hier noch einmal genötigt sei: Schaut A Separation.
Denn wenn man nur ungefähr zwei Stunden Zeit und die Qual der Wahl hat, muß das neue Ding klar abstinken, so unfair das auch sei, denn es ist ja auch viel Gutes dabei. Von vorne: Rana (Taraneh Alidoosti, Frau) und Emad (Shahab Hosseini, Mann) müssen blitzartig umziehen, denn dem alten Heim wird Einsturzgefahr attestiert. Also alle schnell raus und die erstbeste Wohnung vermittelt bekommen, in der noch die alten Sachen der Vormieterin im Flur rumstehen. Muß man mit klarkommen, kommt schon weg irgenwann, Wohnung ist ohnehin nicht für ewig etc. usw.
Der große Wendepunkt kommt, als Rana im Irrtum einem Fremden die Tür öffnet, weil sie Ihren Mann erwartet. Der Fremde ist auch im Irrtum, denn er sucht die Gesellschaft der Exbewohnerin, einer Prostituierten - wie später klar wird. Die Begegnung zwischen Rana und ihm ist eine kurze Auslassung im Film, deren Folge mit Blut zu tun hat, Ranas Blut. Emad trifft sie im Krankenhaus wieder, verstört. Er will Anzeige erstatten, sie weigert sich. Die Situation ist angespannt.
Farhadi beschäftigt erneut eine Ehe und er sich damit. Emad hat Probleme mit der Frau, die sich nach dem Übergriff verschließt, typisch Frau. So muß man sich das als abendländisches Augenpaar zusammenreimen, wenn man das spezifisch iranische Spannungsverhältnis zwischen religiöser Leitkultur und gesellschaftlicher Realität nicht nachvollziehen kann, und wer kann das schon. Das lax getragene Kopftuch verdeckt die weibliche Anmut nicht im Geringsten. Die progressive Mittelschicht dieser Filme hängt klar einer vorajatollischen Zeit nach, wo die Frau dem Mann noch einfach so mit Scheidung drohen kann.
Fort vom fehlgeleiteten politischen Kommentar, zurück zum Film. Jener gibt sich in der Entwicklung seiner Geschichte über weite Strecken behäbig. Da ist Emads Lehreralltag und die abendliche Theaterprobe vom Tod eines Handlungsreisenden, in welcher das Ehepaar vom Ehepaar gespielt wird. Rana richtet sich zu Hause ein. Lange oder für immer bleibt die dramaturgische Relevanz vieler Szenen und Szenarien im Dunkeln. Wohin das alles führt, wird erst klar, als Emad per Zufall auf eine Spur zum Täter stößt, spät in der Laufzeit, nah einem erfreulich befriedigenden Finale. Doch nicht jeder Schritt dorthin hätte sein müssen, auch nicht zum Zwecke der Charakterisierung. Und der Brückenschlag zum Theaterstück im Film, welches im THE SALESMAN (Forushande) heißenden solchen ja mit einer Relevanzerwartung behaftet ist, schlägt ohnehin fehl, denn wer geht denn heute noch ins Theater und hat dementsprechend überhaupt eine Ahnung. Nicht die Kinofritzen.
Wiederholung: Der neueste Streich des feinen Herrn aus dem Teheran ist nur gut. Schaut A Seperation. Einfach klasse.