Reiseführer Nürnberg - Hof

 

Publicity-Gründe erfordern immer wieder Reisen in die Hauptstadt. Auf solchen kommt man dann, von Süden aus und mit viel Zeit, an der Bahnstrecke Nürnberg-Hof vorbei. Somit schließt die Strecke freilich nicht gänzlich zur Hauptstadt auf, aber sie bringt jene näher, semantisch betrachtet. Mit einem Regionalexpress der Deutschen Bahn dauert die 135km lange Strecke 1h 36min. Alles klar, pro Minute ein Kilometer, denkt man. Aber falsch gedacht, es sei denn, man denkt in Industrieminuten.

Aber auch für jene, die nicht zum technischen Personal der Deutschen Bahn gehören, ist die Strecke genießbar. Ob sie tatsächlich zu den schönsten Bahnstrecken Deutschlands gehört, mag uns ein Blick auf die Internetseite der ARD, die sich offenbar genug für diese Sendung schämt, um sie nicht aufzulisten, nicht verraten. Allerdings soll hier ja unabhängig bewertet werden, und somit kann der Strecke Nürnberg-Hof, von ihren Start- und Zielpunkten einmal abgesehen, eine klare Empfehlung ausgesprochen werden, auch wenn die Pegnitz freilich nicht der Rhein ist. Wenn man die Pegnitz, die sich in entgegengesetzter Richtung unserer Fahrt in mathematischer Scharfsinnigkeit mit der Rednitz zur Regnitz vermengt, bis zu ihrem Ursprung hinaufgefahren ist, wird aus dem Fluß Pegnitz plötzlich die Stadt Pegnitz und wir haben einen unserer wenigen Zwischenstops erreicht, der mit seiner Minute (nicht Industrie) kurz genug ist, um nicht auszusteigen und die Stadt zu erkunden. In Sachen Namensgebung haben uns die Bayern derweil eines bewiesen: Entweder, wir haben sie unterschätzt, oder aber wir haben sie überschätzt.

Wer aber einmal nicht auf der Durchreise ist und ein wenig mehr Zeit hat, der sollte sich die Strecke sparen und einfach mal in Nürnberg bleiben. Für Hof reicht indes die Durchreise. Dazu später mehr.

Gröschtl ist eine fränkische Verniedlichung des Begriffes »Resteteller«. Wer als dummer Tourist auf der Speisekarte liest: »Gröschtl mit ...« und sich fragt, was denn nun dieses Gröschtl sei, dem all die bodenständig-leckeren Beilagen beiliegen, dem sei versichert: das Gröschtl ist die Beilage. Und brauchen wir neben Mannheim eigentlich noch eine Stadt, die stolz auf ihre Lebkuchen ist? Lebkuchensoße? Dies ist selbsverständlich keine Frage, die es sich dialektisch zu erörtern lohnt. Um Himmels Willen, nein. Selbiges gilt übrigens für die gekürzten Thüringer Bratwürste, die sich ortstypisch »Nürnberger« nennen.

Schrittweise erstetzt das Fahrrad in deutschen Regionalzügen den Laptop. Nur selten noch hört man im Zug die Durchsage, die Abfahrt habe sich aufgrund hohen Laptopaufkommens am Bahnhof verspätet.

Hof war lange Zeit das vitale Bindeglied der beiden intermetropolitanen Nahverkehrstrecken Nürnberg-Hof und Hof-Leipzig, in welchem einen die Bahn zuweilen 57min warten ließ, doch inzwischen geht es zwischen Nürnberg und Leipzig standesgemäß über Chemnitz oder Zwickau. 57min sind im Gegensatz zum Pegnitz-Aufenthalt jedoch ein Zeitrahmen, mit dem sich arbeiten läßt.

Zu sagen gibt es nicht viel: Mit der Topographie der ehemaligen Beinahe-Grenzstadt geht es ebenso bergab wie mit ihrer Relevanz. Es gibt in Bahnhofsnähe das »Cabaret Petit Paris«, sehnsüchtiger, wenngleich zurückhaltender Ruf nach (kleiner) Größe, Charme und Anerkennung. Gerne setzen die Bewohner Hofs ihrem Schicksal hier und da einen bunten Häuseranstrich entgegen. In der DDR wäre so etwas undenkbar gewesen.

Zeit für eine große Geschichtsstunde im Pegnitz-Rednitz-Regnitz-Delta haben sich Autoren, Filmemacher und Personen öffentlichen Interesses zuhauf genommen, als es mal wieder um die Nazis ging. Nürnberg – Nazis, das ist heute jedem klar, gehen zusammen wie Milz und Brandt. Und auch der Götz von Berlichingen aus dem benachbarten Ansbach, heute ebenfalls als Bahnstation zu Bekanntheit gelangt, hatte seine liebe Not mit den netten Nürnen vom Berg. Wie soviele deutsche Städte ruht sich aber auch Nürnberg heutzutage auf seinem zweifelhaften geschichtlichen Ruf aus. Außer dem Rock im Park finden hier keine größeren Rockfestivals mehr statt.

Die Sache mit den Eisbären. Berlin hat sich den Bären ja quasi auf die Flagge geschrieben. Oder gemalt. Nürnberg hat auch einen Zoo. Dieser ist um einiges kleiner als beide Berliner Zoos zusammen, dafür sind darin aber auch mehr kleine Menschen unterwegs. Es gibt den Kinderzoo im Zoo mit so exotischen Genrevertretern wie Ziegen und Hühnern. Die Störche im Zoo sind wildlebend, auch darauf ist man stolz. Es sind die kleinen Freuden.

Dieser Artikel ist ALT. Er erschien zuletzt im nicht mehr existenten Lifestyle-Blog remede.de.