THE BODA BODA THIEVES: Tontechniker gesucht

 

Das Boda Boda ist ein Motorradtaxi. Der 15-jährige Abel wird plötzlich zum Kurier, nachdem sein Vater unfallbedingt nicht mehr selber fahren kann. Er genießt zunächst das Freiheitsgefühl, das er aus den Fahrten auf dem feschen Fahrgerät gewinnt, gerät jedoch bald durch eine Vermengung unglücklicher Ereignisse und jugendlichen Übermuts in die denkbar schlimmste Situation: Das Motorrad ist gestohlen, und die Existenz der verschuldeten Familie steht auf dem Spiel. Gemeinsam mit der Mutter wird nun also ganz Kampala nach dem vermißten Vehikel abgesucht. Die Polizei derweil ist mehr daran interessiert, Schmiergelder zu kassieren, als Verbrechen aufzuklären.

Film ist seit seiner Metamorphose aus dem Frühstadium des Stummfilms ein audiovisuelles Medium. Stets wird aber dem Audiopart gemeinhin wenig bewußte Aufmerksamkeit geschenkt, wenngleich auch gerne anerkannt wird, daß die emotionale Komponente eines jeden Films zu wesentlichen Teilen mit ihm steht und fällt. Üblicherweise ist Ton einfach "da", wird passiv konsumiert und als selbstverständlich hingenommen. Erwähnung findet ein Soundtrack für gewöhnlich nur, wenn er als außerordentlich effektiv, spektakulär, lobenswert befunden wird, wie etwa im ansonsten völlig belanglosen Gravity. Erwähnung muß der Soundtrack von THE BODA BODA THIEVES (Abaabi ba boda boda) finden, weil er ein dysfunktionaler, stümperhafter und dem Film unwürdiger Clusterfuck ist.

"Soundtrack" ist hier im technisch-wörtlichen Sinne als "Tonspur" zu verstehen. Es beginnt mit ungläubiger Verwunderung, warum Dialoge offensichtlich nachsynchronisiert wurden. Warum so offensichtlich. Warum ist die Synchronisation teilweise gar nicht synchron. Warum hören wir irgendwann plötzlich Live-Sound vom Set, der uns vorführt, wieviel natürlicher und besser alles klingen könnte. Warum wechselt sich plötzlich jener Live-Sound inklusive Hintergrundrauschen abrupt mit dem trockenen Klang einer Studioaufnahme in ein und demselben Dialog ab.

Die Antwort auf die erste Frage ist natürlich "technische Schwierigkeiten", mitverursacht durch ein zu schmales Budget, woraus die Regisseure keinen Hehl machen - dies trotz Förderung durch den der Berlinale eigenen World Cinema Fund. Soweit Verständnis. Die Antwort auf die weiteren Fragen muß jedoch "technische Inkompetenz" lauten, denn mit den Möglichkeiten digitaler Postproduktion, welche zumindest im Audio-Bereich nicht einmal teuer sein muß, kann es keine ernsthafte Entschuldigung für derart inkohärente Soße geben. Der Film klingt schlicht unfertig.

Möglicherweise ist die Ursache aber auch Indifferenz. Donald Mugisha, eine Hälfte des Regisseurteams "Yes! That's Us", räumt ein, ihm liege schauspielerische Darbietung mehr am Herzen als technische Makellosigkeit. Da ist es schade, daß eben jene Darbietung dadurch untergraben wird, daß viele der Laiendarsteller zwar im Moment der Aufnahme in ihrer natürlichen Umgebung entsprechend natürliche und zufriedenstellende Leistungen vollbringen, sich aber bei der dramatischen Nachstellung der Dialoge in einem Tonstudio auf schmerzhaft offenhörige Weise außerhalb ihres Elements bewegen.

Ja, THE BODA BODA THIEVES hat wichtige Dinge zu sagen, weitaus wichtiger als die technischen Aspekte des Filmemachens. Der Film erzählt von Armut, Kriminalität und Korruption. Doch die Wahl des Spielfilms als vermittelndes Medium, welches nicht nur belehren, sondern auch unterhalten will, gebietet es, das Werk den hierin üblichen Urteilskriterien auszusetzen. Schade, daß die Probleme irritierend genug sind, um den geübten Filmeschauer trotz gekonnter visueller Präsentation vom Inhalt abzulenken. Wenngleich auch das erklärte primäre Zielpublikum nicht internationale Festivalbesucher sind, sondern die heimische Bevölkerung, von welcher der Film erzählt, wäre die dokumentarische Form möglicherweise effektiver gewesen.