RIVER: Das himmlische Motorrad

 

"Was berührt Sie am meisten in dem Film?" fragt ein Kind den Regisseur nach der Vorstellung. Die Antwort: Es ist die kleine Yangchan Lhamo (im Film irgendwo zwischen fünf und acht Jahre alt), eine persönliche Bekannte, deren schauspielerisches Talent ihn inspiriert habe, einen Film für sie zu schreiben. Sie ist Laie, ohne jegliche Filmerfahrung, doch es ist ihre Darbietung, die den Film tragen muß. Dabei spielt sie sich mehr oder weniger selbst; ihre Figur ist wie sie Teil einer tibetanischen Nomadenfamilie und trägt auch ihren Namen.

Also wieder ein Fall von "Freund des Produzenten/Regisseurs/Darstellers" etc. in einer Kinderrolle. Doch diesmal ist es anders, nicht so furchtbar. Sonthar Gyal, Regisseur und Autor, beweist ein gutes Auge für seine Darstellerin. Mit kindlichem Ernst schmollt sie sich durch weite Teile des Films und schafft es ganz unbeschwert, das Publikum auf ihre Seite zu ziehen.

Yangchan Lhamo lebt mit ihren Filmeltern in einem Zelt irgendwo in der tibetanischen Steppe, wo sie eine Schafherde hüten. Viel Zeit verbringt sie mit ihrem Vater auf dem Motorrad, das nie aufgetankt werden muß. Wahrscheinlich nur eine Lücke im Drehhbuch, für die sich der Autor auf Nachfrage entschuldigt. Als sie eines Tages zur Meditationshöhle des eremitischen Großvaters hinausfahren, schickt der Vater seine Tochter alleine hinein. Er will nicht mit ihm sprechen. Offenbar hegt er einen Groll, den er seiner Familie aber verheimlicht. Die Tochter möchte die Mutter, die nichts davon weiß, nicht belügen, läßt sich vom Vater aber einschüchtern.

Der familiäre Konflikt ist Anfangs- und Endpunkt einer Geschichte, die nicht mehr und nicht weniger ist als der Schnappschuß einer Kindheit in der Abgeschiedenheit der Steppe. Der namensgebende Fluß bezeichnet gleichermaßen den Lauf des Lebens und die Unvermeidbarkeit des Todes, sowie den Verlauf der Filmhandlung selbst. Yangchan Lhamo zeigt sich am glücklichsten, als sie sich um ein verwaistes Lamm kümmern darf; ein Glück, welches endet, als das Lamm groß genug ist und zurück in die Herde entlassen werden muß.

Die Thematik und gemächliche Erzählweise machen RIVER (Gtsngbo) zu vergleichsweise schwerem Kinderstoff. "Empfohlen ab 7 Jahren", sagt das Programm der Berlinale. Empfohlen bis 99+ sollte man hinzufügen. Sonthar Gyal hat den Film gemacht, um sich noch einmal wie ein Kind fühlen zu können - sein Publikum darf das auch.