THE WORLD OF KANAKO: Wenn man vom Teufel spricht

 

Kanako (Nana Komatsu) ist verschwunden. Mutter bittet Vater um Hilfe. Die beiden haben sich einst unversöhnlich getrennt, und Kanakos Vater (Kôji Yakusho), der sie lange nicht gesehen hat, erfährt auf der Suche nach ihr Dinge, die er vielleicht lieber nicht gewußt hätte. Doch als gewalttätiger Säufer kann er sich nur selbst die Schuld daran geben, was aus der Tochter geworden ist.

Im neuen Gewaltfilm von Tetsuya Nakashima gibt es keine Sympathen. Der Vater, der uns auf die Suche nach seiner entfremdeten Tochter mitnimmt, schimpft, schlägt, vergewaltigt. Die Tochter wird mit jeder neuen Spur ein wenig düsterer gezeichnet. Auf dem Weg treffen sich brutale Gangs, korrupte Polizisten, kaputte Teenager und ein verrückter Killer. Im Hintergrund lauern ähnliche Themen wie schon in Nakashimas Confessions, der menschliche Abgründe mit chirurgischer Geduld seziert hatte. In THE WORLD OF KANAKO (Kawaki) weichen die präzisen Schnitte jedoch grobschlächtigen Hieben. Dieser Film ist laut, bunt und blutig, dabei aber leider nicht konsistent.

So setzt die erste Irritation nach wenigen Minuten ein, wenn der Film nach einer operettenhaften Collage im urbanen Japan zur Weihnachtszeit, einem Wechsel aus späteren Charakteren und Haßtiraden des baldigen Protagonisten, in eine erstaunlich pulpige Titelsequenz changiert, komplett mit funkigem Soundtrack, hipper Splitscreen-Montage und poppigen Cartoon-Zwischentiteln. Ab da ist stilistisch alles erlaubt, von Anime-Sequenzen über Closeup-Shakycams zu Foto-Slideshows mit Musik, die heute modern ist, wie Dubstep und Vocaloid-Pop. Es ist zuweilen Style over Substance, verschleiert die audiovisuelle Experimentierfreude doch das emotionale Herz des Films - oder ist das etwa der Zweck? Die Titelfigur, so erfahren wir, ist innerlich leer. Liegt hier gar ein kinematografischer Metakommentar auf die gebrochene, perspektivlose japanische Jugend vor?

Die Antwort ist jein. THE WORLD OF KANAKO verbringt zunächst viel Zeit damit, Antipathien zu seiner Hauptfigur - nicht Kanako, sondern ihr Vater - aufzubauen und ein Beziehungsgeflecht zu konstruieren, in dem niemand seinen Nächsten liebt, so sehr dies der eine oder die andere auch behauptet. Gewalt und Bodycount eskalieren, und es ist ernüchternd festzustellen, daß der Film erst dann eine tonale Konsistenz gewinnt, wenn alles auf grotesk schwarzhumorige Ausmaße angeschwollen ist - nachvollziehbar an der zunehmend blutgetränkten Garderobe des Vaters, der sich nie umzieht oder wäscht. Angesichts der Absurdität dieser Abwärtsspirale sind es die komischen Elemente, die hier am besten greifen.

Psychotische Gewalt und jugendliche Beklemmung sind mittlerweile gut gereifte Motive des japanischen Films. THE WORLD OF KANAKO bietet ein interessantes Mashup, aber wenig neues und ist genau einmal sehenswert.