HYENA: Das Das

 

Soundtracks machen Filme. Ob bewußt oder unbewußt, The The's musikalische Dreingabe zum Film von Gerard Johnson gibt die Stimmung vor und ist eine tolle Gelegenheit, endlich mal das Wort »kongenial« in eine Filmkritik zu bugsieren. Er beginnt mit The invisible city - die Stadt in der Stadt, die Unterwelt Londons - einem schaurigen Hauptmotiv aus sieben Noten und viel Hall. Darin machen sich vier schwere Jungs bereit, gleich einen kleinen, in Neonlicht getauchten Club durch die Hintertür zu überfallen. In dürftiger Polizeimontur verkleidet, prügeln sie drinnen alles nieder und rauben eine stattliche Menge Koks.

Bald wird klar: Die Verbrecher sind auch in echt Polizisten und eben Verbrecher. Drogen werden für den eigenen Konsum sichergestellt und Schieber um Schutzgeld erpreßt. Michael (Peter Ferdinando) ist der Bad Lieutenant der Bande, ihr vermeintlicher Anführer, und investiert sogar eigenes Geld in den Drogenhandel.

Düster, langsam, minimalistisch und elektrisch treibt die Musik in HYENA dessen Handlung vor sich her. So verwundert es nicht, wie der Film ganz offiziell mit Nicholas Winding Refns Lob beworben wird. Wie auch beim Dänen gern zu beobachten und zu hören, haben wir es hier zuerst mit einem Stimmungsstück zu tun, später auch mit einem Unterweltdrama. Sicher, die Geschichte des moralischen Verderbs, des Versumpfens im Treibsand aus Gewalt und Gegengewalt, bietet inhaltlich nichts neues, keine überraschenden Wendungen, keine erhellende Bilanz. Es ist die technische Umsetzung, die Hyena stark macht. Die Glaubhaftigkeit der Figurenzeichnung, die Direktheit der Gewalt, das Licht und die Musik, die Präzision der westlondoner Verortung. Jede Stadt braucht ihre eigene Crime-Story, wenn sie was sein will.

Stichwort Gewalt: tolle Überleitung zu zartbesaiteten Kritikern, die das nicht sehen wollen und/oder unnötig finden. HYENA hat in seinem Heimatland bereits einen Kinostart erfahren, was bedeutet, daß unüberraschend gemischte Kritiken bereits das Netz kursieren und man es sich also einfach machen (abschreiben) kann. Doch merke: Niemals Blödsinn als Fakt zitieren - Lebensweisheit. Gewalt jedenfalls gehört in HYENA wie in einen Hahnenkampf; sie ist Teil der Mission. Ja, der Film ist unschön, dabei aber von ästhetischer Sensibilität erfüllt. Also Ruhe bitte.

Es gibt einen moralischen Anker in dieser Geschichte, die von einer brutalen Albanerbruderschaft gefangen gehaltene Ariana (Elisa Lasowski). Sie gibt unserem Antihelden Michael Gelegenheit, seinen letzten Rest Menschlichkeit heraufzubeschwören, als er versucht, sie aus ihrer Leibeigenschaft zu befreien. Ihm selbst ist indes nicht mehr zu helfen. Mit der Faszination des Ekels und, um es noch mal zu betonen, vom Klang zum Bild hypnotisiert, bleibt dem geneigten Zuschauer nichts übrig, als der Koksnase auf ihrem Weg nach unten ohnmächtig beizuwohnen.

Everybody wants to go to heaven (but nobody wants to die) ist das letzte Stück des Soundtracks, eine Art prätentiöses Ave Maria aus der Zeitgenossenschaft, doch es paßt hier voll rein, erfüllt es doch die Entfernung zwischen Publikum und Leinwand mit gebührender Leere.

Und Piggeldy ging mit Frederik nach Hause.