Muß ich schwere Konsequenzen befürchten, wenn ich diese Frage offen lasse?

 

Zunächst: Diese Frage ist selbstverständlich nicht lösbar. Das heißt, nicht normalerweise. Wer sich aber minutenlang eine Sendung über Gewichtsprobleme von Prominenten anhören kann, schafft das locker. Nun, nicht normalerweise. Aber in diesem Fall schon. Wie werden sehen, warum.

Ein Paradoxon ist gewöhnlicherweise ein Problem, dessen Lösung das Problem selbst ist. Die Frage muß zwangsläufig zu vollständiger Hirnverbrennung von Autor und Audienz führen. Weshalb die eigentliche Frage sein sollte, warum man solch eine Frage stellen mag. Diese Antwort kennt aber jeder, was wiederum die Antwort darauf ist, warum dies eben nicht die eigentliche Frage ist, sondern die gestellte. Jeder ist falsch: die meisten. Man darf nie seine Leserschaft überschätzen.

Zur Frage, besser deren Beantwortung. Die Möglichkeiten in diesem Fall sind recht überschaubar, sie lauten ja oder nein. Plus Begründung. Doch es ist nicht einfach nur eine freie Entscheidung zwischen zwei Antipoden. Es ist eine Entscheidung zwischen falsch und richtig, gut und böse, Liebe und Angst. Man könnte es sich jetzt hier einfach machen wie Kant mit seinem Gottesbeweis und die Frage einfach zweimal beantworten, plus Begründung. Sich zu widersprechen heißt aber, unentschlossen zu sein, somit ist hier zweimal keinmal.

Das Problem der Antwort. Es ist zu vermuten, daß jede Antwort nichts weiter als Realitätsflucht darstellt. Denn wie kann ich behaupten, Konsequenzen fürchten oder nicht fürchten zu müssen, indem ich durch Beantwortung der Frage die Prüfbarkeit eben dieser Konsequenzen meide?

Empirisch lassen sich zwar die Konsequenzen der Nichtbeantwortung nicht mehr nachvollziehen, wenn diese nicht erfolgt. Jedoch ist Nichtbeantwortung nichts weiter als der Zustand zwischen Fragestellung und Beantwortung und somit unvermeidbar, weshalb sich immer Konsequenzen aus der Nichtbeantwortung ziehen lassen. Zeit ist hier ein entscheidender Faktor. Die Frage kann also gar nicht unbeantwortet bleiben. Allein aufgrund der zeitlichen Differenz zischen Frage und Antwort entsteht die Antwort selbst. Aktiv benötigt diese Frage gar keine Antwort. Stattdessen existieren Antwort und Nichtantwort schließlich in zeitloser Gleichzeitigkeit.

Allein die Tatsache, daß sich die Frage von selbst beantwortet, heißt aber nicht, daß keine Konsequenzen verbleiben. Das Problem hat sich lediglich verschoben: Nicht die Konsequenzen einer eventuellen Nichtbeantwortung sind das Problem, sondern die unvermeidbaren Konsequenzen aus dem Stellen der Frage selbst. Die Einfachheit der Beantwortung durch Nichtstun und ihre existentielle Komponente der Einheit von Dasein und Nichtdasein bilden fieberhafte Meditation. Was sind die Konsequenzen des Nichtstuns?

Ich spüre, wie mich eine Wolke des Vergessens umgibt. Das Nichtstun setzt ein. Zwar hauen meine Finger noch in die Tasten, aber halbierte Insekten zucken auch noch. Was beim Lesen unbemerkt bleibt, ist die wachsende Zeitlücke zwischen Wort und Wort. Wenn jedes Wort eine Frage ist, auf welche ein Antwort folgt, so wächst die Nichtbeantwortung von Wort zu Wort. Auf jedes weitere Wort folgen weniger Worte. Die Menge von Worten pro Leben ist auch begrenzt. Je weniger verbleiben, desto wichtiger werden sie. Die Konsequenzen werden schwerer, wie von Schnaps zu Schnaps. Hirnverbrennung ist nun mal eine Konsequenz von Alkohol. Mit jedem Rausch ein paar Millionen. Man muß nicht betrunken sein, um dumme Fragen zu stellen. Gute Überleitung.

Die Frage ist ja nicht: Gibt es Konsequenzen? Konsequenzen gibt es, auch frei nach kantscher Kausalkette, ohnehin. Die Frage ist: Sind die Konsequenzen schwer, und muß ich sie fürchten? Fragen sind Worte. Je mehr Fragen, desto weniger Wichte. Die Schwere hängt von der Menge verbleibender Fragen ab. Es hängt davon ab, wann die Frage gestellt wird. Ich habe sie mit 25 gestellt und wohl gerade noch mal Glück gehabt.

Ich widme mein Werk all den armen Schweinen, denen es von Vertrauten auf dem Sterbebett vorgetragen wird. Ihr seid die krassen Wanker. Peace out.

Dieser Text ist ALT. Er erschien zuletzt im Lifestyle-Magazin remède de cheval.