RIVERSIDE live: Die alten Männer sind zurück

 

Es passiert mit so vielen Bands. Das Entdeckertum versickert in Bodenhaftung. Die Rabiata der Jugend weicht der Gemächlichkeit des Alters. Die Musik wird sanfter. Das sechste RIVERSIDE Album ist total emotional. Man könnte sagen, das sei die Band ja immer, aber selten war der Schmalz so prominent. Der Banddeskriptor vielerorts enthält zudem immer noch das Wort "Metal" - völliger Unfug seit Tag 1, aber gut. Bloß weil der Mann am Mikro vereinzelte Silben dereinst grunzend intonierte. Man nenne es besser Prog Rock, denn das ist nicht nur korrekt, sondern darf ja alles und ist somit auch mit der jüngeren Sanftmütigkeit noch konsistent.

Porcupine Tree hatten in ihren letzten Touren gerne mit Pause gespielt, wobei die erste Hälfte dem chronologischen Abspielen des jeweils jüngsten Albums gewidmet war. Das wäre in diesem Fall ein bissel öde, wenngleich wie immer natürlich noch der live-Wumms dazukommt und alles besser, mitreißender macht. Doch die Polen sind besonnen genug, so einen Quatsch nicht zu machen. Klar ist viel neues dabei, aber es gibt von jedem Album etwas zu hören, und es ist interessant herauszufinden, was denn offensichtlich die Hits der Band sind, die die Aufnahme ins Liveset verdient haben. Wird hier aber nicht verraten. Ätsch bätsch.

Love, Fear and the Time Machine hat die ganze rezensorische Verkloppe im übrigen auch gar nicht verdient: Gutes Album. Jedes RIVERSIDE Album ist gut! Nur die Spannung läßt nach zwölf Jahren eben etwas nach. Man will mal etwas anderes, wird introspektiver. Die Bärte sind grau. Mariusz Duda (Bass und Stimme), der mit ungewohnter Frisur auftritt, macht Witze darüber und ist auch sonst ganz nah beim Publikum. Auf Fotos schauen die vier immer so grimmig drein, aber in echt ist man total nett. Ach, ganz sympathische Typen sind das, jaja.

Für die songschreiberische Qualität eines neuen RIVERSIDE Albums spricht auch die Erfahrung, bei nur zweimaligem Hören als Nebenbeschäftigung genug Wiedererkennungsanker eingefangen zu haben, um im Konzert schon freudig ihrer Vertrautheit folgen zu können. Mehrmaliges Hören offenbart außerdem ungeheuerliche Tiefe. Im Aether arbeitet der Bass an der Skizzierung einer Welt ganz unten am Grund des Flusses. Ansonsten sind da Melodien. Die waren schon immer da, doch diesmal gibt es weniger der Gegenüberstellung mit dem proggigen Geschrammel und verwinkelten Songstrukturen. Das viele Beugen und Winden macht halt der Rücken nicht mehr mit.

Pompös darf die Präse trotzdem sein. Das Columbia Theater beweist sich erneut als hervorragender Konzertsaal, der mal wieder eine glänzende Abmischung und Lichttechnik bereitstellt, sowohl für den Headliner als auch seine zwei mittelmäßigen Vorgruppen Lion Shepherd und The SixxiS. Die geilen Leuchtdreiecke aber bleiben für die Hauptband reserviert, davon dürfen die anderen nix abhaben wegen Antiklimaktik. Alle Polen machen Selfies mit dem Publikum, und ganz neu: am Ende verbeugt sich Riverside, man ist ja im Theater. Moment mal!? Verbeugen? Der alte Rücken? Was! Lug und Betrug! Das war wohl alles nur Theater! Moment mal!? Theater? Jetzt wird vieles klar!