SUIYOUBI NO CAMPANELLA - Zipang

 

Für Bands, die hier um den Block rum das Ghetto blasten, war das vergangene Jahr ein gutes. Unter denen, die auf einen Schwenk vorbeischauten, waren Babymetal, God is an Astronaut, Jaga Jazzist, RiversideMaserati und natürlich viele andere, für die dann doch keine Zeit war. Gern gesehen hätte man dennoch ein paar mehr, z.B. SUIYOUBI NO CAMPANELLA (水曜日のカンパネラ), fürderhin SNC genannt. Die waren sich aber zu fein, zu beschäftigt oder geben einfach nur zu Recht einen heißen Brei auf ein Land, wo sie keiner kennt oder jemals schätzen wird. Genau das richtige Material für den Block also, um mit dem Kopf in die Wand zu rennen und sich an der Müßigkeit einer Musikkritik zu versuchen.

Zunächst ein paar Zahlen und Fakten: SNC haben 2015 ihr fünftes (Mini-)Album in drei Jahren plus eine EP veröffentlicht. Das macht 13 neue Titel, wovon neun, in Zahlen 9, ein eigenes Musikvideos erhalten haben. Man war also emsig. 2015 war auch das Jahr des marktstrategischen Durchbruchs - die Gruppe begann, populär zu werden. Cool und exklusiv sein ist für Neuhörer also nicht mehr drin.

Halb so schlimm: Zipang (ジパング) ist mit der Klarheit absoluter Objektivität das bislang beste Album, denn es beinhaltet zehn Titel, während auf bisherigen Scheiben nach maximal neun die Sache grade war. Aber auch musikalisch überzeugt das Duo/Trio/Weißmannichtgenau mit einer Fortsetzung seines etablierten Frarafrasi, in welchem dieselbe Frau namens Koumai (コムアイ) für Rap und Gesang zuständig ist und als einziges Gesicht der Formation auch leicht für eine Solokünstlerin gehalten werden kann. Alt am Sound in Bezug auf die kurze Bandgeschichte ist die luftige Mischung aus glitch-infundiertem Electronica, Hip Hop, Funk und auf was immer man gerade Lust hat. Neu dabei ist stets die aktuelle Wahl der Samples, der popkulturellen Bezugspunkte und des genauen Mischverhältnisses aus der musikalischen Gewürzküche.

SNC haben mit einem Turbo in ihrer Musikkarriere gestartet, ziemlich viel in ziemlich kurzer Zeit herausgebracht und sich dabei nicht ständig neu entdeckt. Ganz im Gegenteil; klanglich sind sie unverkennbar, und mit einem starken Fokus auf der Lyrik und einem hohen WPM*-Zähler mag das ganze schnell in Gleichförmigkeit verschwimmen. Es ist nicht wirklich von Bedeutung, von den fünf Minialben das eine oder andere verpaßt zu haben, denn hat man eines gehört, weiß man ja so ungefähr, was auf den anderen drauf ist - eine Kritik, so es denn eine ist, die sich gegen viele Gruppen erheben läßt.

Was SNC davon erhaben macht, ist ihre grundsätzliche Originalität und die Konsequenz, daß es von ihrer Musik ganz allgemein eher noch zuwenig als zuviel gibt. Das jüngste Album ist da als eine Art Best-of dessen, was SNC auszeichnet, ein hervorragender Einstieg. Dazu gibt es das Versprechen, daß jenen, die dabei Blut lecken, beim Durchhören der Diskographie eine Vielzahl nuancierter Verzückungen erwarten. SNC sind besonders gut darin, mit verschiedensten Genres zu flirten und ihnen allen dabei Koumais Stimme aufzudrücken. Das Ergebnis ist in jedem Fall eine Geschmacksexplosion. Ob Kaviar oder Komposthaufen, muß der geneigte Hörer aber wie immer selbst entscheiden.

*words per minute