Michael Birch et al.: SUPER CARTOGRAPHY BROS.

 

Es begab sich im Jahre 2003, daß in der Videospiel-Remix-Community OverClocked ReMix, damals vier Jahre jung, ein neuer Trend ans Licht der Welt trat. Auf der Webseite, die bis dahin eine reine Sammlung vereinzelter Remixe war, wurde das Album Relics of the Chozo veröffentlicht, das sich ganz dem SNES-Klassiker Super Metroid widmete. Das war nicht nur eine vorzügliche Wahl des musikalischen Quellmaterials, sondern funktionierte auch als Album hervorragend. Die Tatsache, daß es sich zum Großteil um das Projekt eines einzigen Remixers (Ari Asulin alias Protricity) mit vereinzelten Gastbeiträgen handelte, sorgte für einen klaren stilistischen Rahmen und eine gewisse dramaturgische Stringenz.

Seither sind etliche weitere Alben bei OCRemix erschienen, meist einem einzigen Spiel oder einer Spieleserie gewidmet. Diese sind in der Größe rasch gewachsen, umfassen oft die Spielzeit mehrerer CDs und das Wirken dutzender Remixer. Was vielen dabei fehlt, ist aber eben der stilistische Rahmen, der Relics of the Chozo so überzeugend machte. Freilich sind immer wieder tolle individuelle Titel dabei herumgekommen, doch sind viele der OCRemix Alben nicht mehr als lose Liedsammlungen - Mikrokosmen innerhalb der Community, die sich vom Gesamtkonzept abgesehen von der Filterung nach einem Thema nicht abheben und die Genres kunterbunt vermischen, wie eben OCRemix selbst.

Die Mischer des im vergangenen November erschienenen Albums SUPER CARTOGRAPHY BROS. müssen sich diese Nörgelei nicht bieten lassen, denn sie wissen, was sie tun. Die Beatz sind fett, der Klempner heißt Mario. Spezialisiert hat man sich auf die Oberweltmusiken verschiedener Super Mario Spiele, die Arrangements gehören in die Disse - »world (map) music to dance to«. Das Album, gratis zum Download wie alle OCRemix-Alben, liegt gleich dreimal vor - als Radio Edit, Club Edit und als fortlaufender DJ Mix, der angesichts des Genres die konsequenteste, überzeugendste und spaßigste Version für die Hausparty darstellt.

Nun hat natürlich niemand auf Super Mario gewartet, um einen Grund zum Dancen zu haben, und der Wiedererkennungswert der gewählten Stücke beim gemeinen Pöbel ist fragwürdig - es ist nicht gerade Welt 1-1. Ausgesprochen klug verwoben sind jedoch zahlreiche semi-ikonische Samples aus den Spielen, wie der berühmte Münzen-Toneffekt, Yoshis Aufsattelgeräusch oder It’s-A-Me. Im so betitelten Opener von Funk Fiction wird adäquat der Ton der Scheibe vorgegeben: So kann es weitergehen. Der Titel ist ein starkes Glanzlicht, reich an genannten Tonschnipseln und macht im DJ Mix klugerweise nicht den Anfang. Später kommen dann die ganzen üblichen EDM-Subgenres, die man heute auf so einem Album erwarten würde und deren Auflistung aus Gründen des Müßiggangs hier leider entfallen muß. Erwähnt sei sicherheitshalber nur, daß auch ein stilistisch konsistentes Album noch genug Abwechslung bieten kann, um nie langweilig zu werden.

Man muß kein elender Nerd sein, um an SUPER CARTOGRAPHY BROS. Gefallen zu finden, sondern nur ein Freund elektronischer Tanzmusik. Vertrautheit mit den Tunes ist keinesfalls Vorraussetzung, sondern ein Bonus für Sachkundige. Und so schafft es ein digital-only, gratis Videospielremixalbum in die unumstößliche, maximal objektive Top X der besten Alben des vergangenen Jahres. Bling!