Ein Reisebericht durch Japan, das Land der Japaner
Ich begann meine Reise an der malerischen Sagami-Bucht, nur eine Zugstunde von Tokyo, dem Herzen und einzigen Stolz des Landes entfernt. Hier waren zwischen 1192 und 1333 einige der mächtigsten Wesen der japanischen Geschichte angesiedelt, in der Eingeborenensprache nur Minamoto genannt. Zuerst fiel mir das eigenwillige Toilettenpapier auf der Museumsinsel Atami auf, welche die Bucht Sagami nonchalant umwindet. Auch ich machte zunächst den typischen Fehler, das handgeschöpfte Reispapier in den für östliche Verhältnisse doch erstaunlich fortschrittlichen Wasserklosetts als neckisches Selbsterfahrungsexponat zu begreifen, doch wie ich später herausfinden sollte, war chlorfrei gebleichter Zellstoff in Japan bis zu meiner Ankunft tatsächlich unbekannt gewesen.
Erschöpft von diesem zwar anstrengenden, doch auch sehr aufschlußreichen Tag, kehrte ich abends in eines der berühmten japanischen Teehäuser ein, vermied aber die typischerweise für den Tourismus auf elterliche Pseudoauthentizität getrimmten Etablissements und wählte eine versteckt gelegene Großkantine in jenem schummrigen Neonlicht, welches die rasende und doch sehr junge Kulturentwicklung des wirtschaftlichen Emporkömmlings Gesamtasien sehr viel trefflicher beizubringen vermochte.
Trotz meines Hungers, der dem Hunger der an jeder Straßenecke anzutreffenden buddhistischen Bettelmönche in nichts nachstand, nahm ich mir Zeit, um eine Auswahl aus den vielseitigen, aber stets raffinierten Köstlichkeiten der fernöstlichen Küche zu treffen. Ich entschied mich für Surimi und Chop Suey, welches übrigens direkt von unserem Zigeunerschnitzel abgeguckt ist.
Freilich kann dieser Bericht kaum ohne eine Beschreibung meiner nächtlichen Ruhestätte auskommen, schließlich sind die japanischen Unterkünfte für den müden Reisenden zu Recht in aller Welt bekannt. Hotel ist ein Wort, das im Japanischen quasi gleichbedeutend ist mit Bordell. Ich ließ mich in Kenchou-ji nieder, einem Tempel einer kleinen lokalen Kette, und wurde von einer der Haushostessen hofiert, die dort Kabuki heißen, während diese ihr Englisch an mir ausprobierte. Ich ließ sie gewähren vor dem Hintergrund, daß Japaner offensichtlich über keinen Benehmenskonsens verfügen. Gelangweilt schlief ich in meiner Shogun-Schublade ein.
Wenige Tage später befand ich mich auf der Zugreise durch Japans ewige Häuserschluchten, um die Ausläufer des täglich um drei Millionen Pendler wachsenden Ballungsraums Tokyo an der hokkaidischen Südküste zu besichtigen. Ich fuhr bewußt zur Rush Hour, um die typisch vollgestopften Züge mit all den anderen Touristen einmal zu erleben. Völlig durchgeschwitzt und in meiner Körperhaltung erstarrt, ließ ich mich am Ende der Fahrt zunächst einmal auf einer der beliebten Geishas, gezogen von einem wenig überzeugend verkleideten Japaner, in eines der vielen Badehäuser kutschieren, die ca. 50% der Infrastruktur des Landes ausmachen. Da alle Badehäuser in Japan Unisex-Nacktbadehäuser sind, hatte ich als aufgeklärter Europäer zunächst natürlich Schwierigkeiten, zu voller Entspannung zu gelangen. Doch um dem Credo meiner Weltreisen gerecht zu werden und mich voll und ganz in die Landesbräuche einzufügen, begann ich, im Schutz des Wassers Mädchen zwischen die Beine zu gucken und dabei frenetisch zu kichern. Dies lockerte die Situation für mich schnell auf, da ich merkte, wie meine Akzeptanz in der Badegruppe wuchs.
Leider mußte ich danach aber auch schon abreisen, da ich mir beim Herunterbeugen auf Schritthöhe der ohnehin winzigen Japaner alle Knochen verstaucht hatte und die medizinische Versorgung da ja bekanntlich noch nicht so weit ist. Trotzdem freue ich mich schon auf den nächsten Besuch in diesem tollen Land, auch wenn die Menschen eher so naja sind.
Dieser Text ist ALT. Er erschien zuletzt im Lifestyle-Magazin remède de cheval.