HUMIDITY: Schweiß und Tränen

 

Mina ist verschwunden! Petar (Miloš Timotijević) ist die Frau davon, einfach so, über Nacht. Ihr Handy ist aus. Er weiß zwar nicht, was los ist, verheimlicht Freunden und Familie aber ihr Verschwinden und erfindet Ausreden, warum Mina hier und da nicht erscheinen kann. Derweil geht das Leben des bourgeoisen BWL-Schnösels weiter seinen Gang; er wird befördert, flirtet mit Frauen und suhlt sich im Konsum. Doch etwas ist durcheinandergeraten. Bedrohlich schwelt die Tonspur um Petars immerfeuchte Stirn.

Nikola Ljucas HUMIDITY (Vlažnost) ist gleichsam das Portrait einer Gesellschaft und einer Beziehung, wobei das Eine der Schlüssel zum Verständnis des Anderen ist. Leicht überzeichnet mag die Darstellung einer dekadenten Belgrader Oberschicht sein, die immer einen Hauch von Generationskritik transportiert. Gleichzeitig ist sie aber auch nicht spezifisch genug, um einen dokumentarischen Anspruch erheben zu können und sich dem Zuschauer als typisch serbisch zu offenbaren. Man kennt oder vermutet die Existenz solcher sozioökonomischer Kreise bereits von anderswo und hat als Normalverbraucher vermutlich auch schon einen robusten Ekel gegen dergleichen entwickelt.

Somit fällt es leicht, Fluchtgründe auf die abwesende Mina zu projizieren. Dies bleiben jedoch Projektionen, denn letztlich ist auch die Entlaufene Teil dieses Milieus, in welchem sich ein zunehmend entnervter Petar auf eine aussichtslose Sinnsuche begibt. Es steckt eine gewisse Genialität in einem Skript, das den Status einer Beziehung in Abwesenheit einer Hälfte seiner Beteiligten untersucht - eine Abwesenheit, die zu jeder Minute spürbar ist und mit dem Gewicht eines nagelneuen Autos auf die Scheinnormalität im Leben des Zurückgebliebenen niederdrückt.

Nach diesem Satz fürs Feuilleton sei noch eben angemerkt, daß es sich schon wieder um ein vielversprechendes Langfilm-Regiedebüt handelt, klares Geheimthema der diesjährigen Berlinale. Als Bonus kommt das Ganze diesmal aus Serbien, woher man ja noch nicht so viele Filme kennt, doch Ljuca dämpft sogleich die Freude und versichert, seiner sei ganz anders als die anderen. Und natürlich hängt ganz viel an der zentralen Performance des erfahrenen Timotijević, der Petar so facettenreich verkörpert, daß er dabei die moralische Deutungshoheit über seinen Charakter niemals ganz an den Betrachter abgibt.

Klug geschrieben, sauber produziert und hervorragend gespielt ist diese kleine Geschichte, in der letztlich nicht viel passiert. Wer bei HUMDITY das Ende im Voraus erahnt, hat das seltene Glück, dabei nicht die Enttäuschung eines schwachen, vorhersehbaren Drehbuchs zu erfahren, sondern die Stärke einer konsequent durchexerzierten Parabel.