Auch das ist Feminismus: Ein erigierter Penis erscheint auf der Leinwand und wird masturbiert. Es wird nicht der letzte sein. Und das ist auch gut so. Denn warum soll nackte Haut im Kino auf weibliche Reize für heteronormative männliche Zuschauer beschränkt sein?
Herbeigerufen werden die Gemächte von der jungen Florencia (Violeta Castillo), deren bisheriges Hobby es ist, mit Schulkameraden als Animemädchen verkleidet auf die chilenische Comic-Con zu gehen, auf der geschlechtlich getrennte Umkleidekabinen, oder überhaupt richtige Umkleidekabinen, noch nicht angekommen sind.
Für Florencia ist das aber nur eine Gelegenheit, sich leicht bekleidet anstarren zu lassen. Denn schon vorher beschließen sie und ihre Kumpels, den Webcamwichser, mit dem sie chatten, zu sich einzuladen. Er wohnt nämlich ganz in der Nähe. Man beschnuppert sich durch eine gläserne Zwischentür, lässt es aber nicht eskalieren. Jedenfalls noch nicht. Und es gibt ja noch andere Männer zu mustern.
Der im Titel angedeutete botanische Aspekt rührt daher, daß Florencia den Comic Las Plantas zu lesen beginnt, in dem Pflanzen in der Nacht die Körper von Menschen übernehmen. Wie genau das funktioniert, wird im Film nicht näher erläutert, das ist auch nicht so wichtig. Wichtig ist die Symbolik. Florencias Bruder ist ebenfalls eine Pflanze bzw. Wachkomapatient, was Florencias Frage motiviert, ob Pflanzen wohl auch Gefühle haben und ihre Umgebung wahrnehmen können. Außerdem liegt Mutti mit uneindeutiger Prognose im Krankenhaus. Da dies natürlich ein gewisser Einschnitt (Gärtneranalogie) in die freie Lebensgestaltung ist, ist es nicht verwunderlich, daß man als Teenie ersatzweise im Libidobereich das Außergewöhliche sucht.
Neben diesem sexuellen Erwachen zeigt LAS PLANTAS auch andere Formen der Intimität. Ihren Bruder muss Florencia baden und ihm die Windeln wechseln, aber er dient auch als liebevolles Kopfkissen beim Comic Lesen. Entscheidend für die fesselnde Wirkung des Films ist, daß er nicht moralisieren will oder den erwachenden Fetisch der wahren Liebe gegenüberstellt. Es geht um Gefühle, die man nicht wirklich versteht, um die Frage, ob die Verzahnung von Genitalien im Sexualleben das Wichtigste ist. Das alles wird vor allem von Violeta Castillos Mimik zusammengehalten, im ständigen Wechsel zwischen frustriert, frech und freizügig.
LAS PLANTAS (Regie: Roberto Doveris) kommt aus Chile, könnte aber überall spielen, wo die Webcam-Technologie ausreichend fortgeschritten ist. Diese verzogene Jugend ist halt überall gleich. Aber man schaut ihr gerne bei ihren Untrieben (sick (sic)) zu, wenn sie so gut dirigiert und abgelichtet wird. Oder auch nicht; es ist ein Nachtfilm. Und gelegentlich eben auch ein Nacktfilm. Und wenn es der Story dient, kann man da auch als seriöser Filmkritiker befriedigt aus dem Saal gehen. Intellektuell natürlich.