CROSSCURRENT: Der Flussflüsterer

 

Lyrik, das schreibt man in China groß. Doch wie macht der Chines' das bloß - ganz ohne Alphabet? Yang Chao zeigt, wie's geht. In Peking studiert der Mann Regie; allein zum Autor reicht es nie. Er mag es schwurbelig und prätentiös. Halb so schlimm; er meint's nicht bös.

So unnötig und angestrengt wie obige Poesie ist das, womit Yang Chao seine Bilder in CROSSCURRENT (Chang Jiang Tu) anreichert: Aus Off-Stimme und Bildschirmtext durchkreuzen metaphysisch geladene Plattitüden die ansonsten ganz beschaulichen Bilder.

Zu sagen, es gehe um nichts, heißt, den Film verstanden zu haben. Der junge Kapitän eines völlig verrosteten Frachtschiffs (Hao Qin) fährt den Jangtse hinauf, liest dabei die Verse eines unbekannten Dichters und halluziniert eine Frau (Zhilei Xin), seine große Liebe, die sich in der Zeit rückwärts bewegt und ihm an mehreren Stationen seiner Reise begegnet. Alles weitere ist scheinphilosophische Grütze, die sich nur auserkorenen Geistern zugänglich macht. Im gefühlten Gletschertempo schreitet die Nicht-Geschichte voran, so daß man fälschlicherweise zu dem Schluß kommen könnte, der Jangtse flösse nun mal nicht schneller.

Filme ohne echte Dramaturgie gehen in Ordnung. Filme ohne wirkliche Charaktere haben es schon schwerer. Dann kommt es auf die Inszenierung, auf Stimmungen an. Chao gelingen auch eine Reihe wirklich beeindruckender und stimmungsvoller Aufnahmen, von arborealen Ufern, kahlgeschwemmten Dörfern und dem Drei-Schluchten-Damm. Schade ist, daß das viele Gesülze von einer ansonsten ganz ansehnlichen Landschaftsdoku entlang Chinas mächtigsten Flusses ablenkt. Innerhalb von knapp zwei Stunden wäre aus einer echten, tatsächlich dokumentarischen Form mehr gewonnen.