MOUSE ON THE KEYS live: !@§%$§#?$&*

 

Zwei Pianisten, ein Schlagzeuger. Zwei Jazzer, ein Irrer. MAUS AUF DEN TASTEN, wie sich die Japaner in hart einstudiertem (aufgeschriebenem)  Deutsch vorstellen, sitzen im U, wie in einem Seminar. Man ist schließlich hier auf Arbeit; es ist höchste Konzentration gefordert. Dann geht es los. Vor einer funkelnden Lichteffekt-Wand rastet der Musikkongress komplett aus.

Akira Kawasaki verprügelt sein Schlagzeug, daß alles zu spät ist und bleibt dabei irgendwie kühl. Die Frisur sitzt. Kawasaki steht auf, stellt sich auf seinen Stuhl und besorgt es dem Instrument von oben. Ein kurzer Positionswechsel für den Pfiff. Bei allem Gehampel sind die Anschläge pro Minute bemerkenswert an der Zahl. Was beim Drum & Bass ein elektrisches Kinderpiel ist, erzeugt Kawasaki in müheloser Schwerstarbeit ganz analog. Das scheiß Schlagzeug kriegt heute derb eingeschenkt. Mach fertig die Drecksau.

Der Bassanteil derweil wird von den namhaften KEYS substituiert. Atsushi Kiyota, der Chaot, macht was er will. Die Tasten vor ihm können ihn mal. Da wird reingekloppt, wie der Finger grad fällt. Jazz, bitches. Kiyota steht zwar nicht auf, legt aber durchaus mal die Faust an, macht den Ellenbogen. Momente der Renitenz inmitten subtiler Ordentlichkeit. Was an der Schnittstelle von Finger und Taste nach feinmotorischem Laissez-faire aussieht, ist in Wahrheit streng choreografiert. Den Eindruck gebietet zumindest der Respekt vor der Kunst.

Indes: Daisuke Niitome, von Beruf Zweitpianist, wirkt grau und eminent. Das liegt daran, daß sein Gesicht ins Publikum zeigt, die Hände also hinter Gerätschaft versteckt sind. Niitome ist allein deswegen kein Hingucker, aber mit Sicherheit total wichtig. Das sagt die Aura.

Ganz anders das scheiß Publikum. Kiyota liest ab: "Ihr seid scheiße." Danach verbessert er sich. Wer hat der Gelbnase verklickert, daß das hier gut ankommt? Wer immer auch es sei: Richtig so. Der ironische Flirt hat die erhoffte Wirkung. Vor allem, weil die gut gekleideten Herren auf der Bühne damit die Punkerseele kundtun, welcher man im gentrifizierten Berliner Hipstersumpf so wehmütig nachsehnt. "Scheiße" ist ohnehin deren Lieblingswort. Es sollte diesen Abend nicht zum letzten Mal fallen. Man lebt die Freiheit aus; in Japan sind solche Worte ja kulturell streng untersagt. Viel zu höflich, die Japaner.

Ausführlich, kompetent und fein, vor allem aber absolut mitreißend. Das sind MOUSE ON THE KEYS. Und bitterarm natürlich, weswegen sie wie alle Musiker darum betteln, man solle doch bitte Tassen und T-Shirts kaufen. Oder auch Poster und CDs. Doch die T-Shirts sind leider langweilig, die CDs ohnehin schon im Regal jeden wahren Fans. Oder auch nicht, heutzutage ist ja alles in der Cloud. Vorallem die Köpfe. Scheiß Jugend.