BARKING DOGS NEVER BITE: Die Farbe Gelb

 

Es war das Jahr 1999, als sie in China Hunde aßen. Das war schön skurril, albern und düsterhumorisch. Das Hundeessen entpuppte sich aber als reine Redensart. Welch herbe Enttäuschung für alle leidenschaftlichen Canivoren* unter den Cineasten.

Ein Jahr später in Korea dann die Katharsis: Endlich muß der Vierbeiner dran glauben. Mittels Texttafel wird vorsichtshalber noch vor der ersten Einstellung erklärt: Nein, es wurden keine Tiere gequält. Denn so lustig Bong Joon-Hos Spielfilmdebüt meistens ist, so realistisch wirkt die Gewalt, die den titelgebenden Hunden hier zuweilen widerfährt. Dabei meint es Yun-ju gar nicht böse.

Denn Yun-ju (Lee Sung-jae), angehender Lehrer, steckt in seiner kleinen, anonymen Wohneinheit der Tradition Plattenbau und auf der Schwelle zur Vollbeschäftigung fest. Er erträgt die Launen seiner schwangeren Frau, während er das Geld für eine „Gefälligkeit“ zusammenkratzt, die ihm endlich den ersehnten Job garantieren soll. Von der Situation völlig gestreßt, fällt seine Reaktion auf das Gekläffe des Nachbarhundes extrem aus. Der Hund wird zur Projektionsfläche seines Unmuts, und Yun-ju bringt fortan mehr Zeit und Energie dafür auf, sich der Ruhestörung zu entledigen, als zur Bearbeitung seiner tatsächlichen Probleme. Währenddessen muss Hyeon-nam (Bae Doona) auf dem Bürgeramt ungewöhnliche Mengen Vermißtenposter für ehemalige Hundebesitzer abstempeln, bis sie per Zufall auf eine heiße Fährte stößt. Und dann ist da noch die Geschichte von Boiler Kim, dem legendären Installationsfachmann, dessen Geist im Keller des Wohnkomplexes sein Unwesen treiben soll.

Für BARKING DOGS NEVER BITE ist eine inhaltliche Zusammenfassung nicht nur beschwerlich, sondern weitestgehend redundant, denn weder verfolgt Bong Joon-Ho hier einen klassischen Spannungsbogen, noch findet sich der Reiz des Films in seiner Geschichte. Vielmehr wird hier eine Reihe von Momentaufnahmen präsentiert, von Charakteren, die als Außenseiter stilisiert werden und doch gewöhnlicher nicht sein könnten. Das Gros der Handlung verweilt innerhalb des Wohnblocks oder seiner unmittelbaren Umgebung, wo Nachbarn Fremde sind, wo niemand wirklich sein will und doch die meisten Menschen nicht loskommen. Hier sind Haustiere zwar verboten, doch niemand hält sich daran, wie der Hausmeister erklärt. Es ist das perfekte Umfeld für eine schön skurrile, alberne und düsterhumorische Situationskomödie, und Bong Joon-Ho holt alles heraus.

So zum Beispiel aus der graubraunen Eintönigkeit seines Settings. Wer jüngere Filme des Regisseurs bereits mit wachem Auge gesichtet hat, mag einen gut fotografierten Film erwarten. Doch es ist offenbarend zu sehen, wie unter Bong Joon-Hos Anweisung interessante und ansehnliche Aufnahmen aus dem Betonblock entstehen, die bei aller Experimentierfreude zugleich instrumentell sind für den Transport der Stimmung von Bildfläche zu Großhirn. Denn dies ist eine Komödie ohne Witze, eine Komödie, deren Humor zuvorderst aus visuellen Mitteln geschöpft ist, welche über alle Sprachbarrieren hinweg funktionieren. Untermalt wird sie von einem fürs Koreakino untypischen Jazzsoundtrack, der in seiner wilden, ungestümen Anmutung perfekt den Ton trifft.

Damit all das funktioniert, ruht unter der wilden Fassade ein disziplinierter Kern, an dem Handlungsstränge und Figuren sinnvoll zusammengeführt werden. Lee Sung-jae spielt als Yun-ju die Hauptrolle, eine Zeitlang, bis er in der Dynamik des Skripts irgendwann, vom Zuschauer weitestgehend unbemerkt, das Staffelholz an Bae Doona abgibt. Mit einer Mischung aus theatralischer Mimik und Mut zur Gewöhnlichkeit schlägt sie sich in ihrer erst zweiten Filmrolle hervorragend und kann das Geschehen sowohl komisch als auch emotional anreichern. Durch ihre Hyeon-nam eröffnet sich eine zweite, dem westlichen Publikum vertrautere Perspektive auf das Verhältnis zwischen Mensch und Hund - Freund statt Vieh. Daß diejenigen, die den Hunden hier mit Empathie begegnen, allesamt Frauen sind, ist sicherlich nur Zufall.

Bong Joon-Hos Debüt verdient es nicht, nur eine Kuriosität für Kenner zu sein. In seiner Raffiniertheit und Stilsicherheit, seinem aberwitzigem Humor und Charme ist dies der Film, der als Bonusmaterial auf der Bluray von The Host diese erst kaufenswert macht. Ja, The Host ist harter Scheiß, und BARKING DOGS NEVER BITE ist der Shit.

*kein Tippfehler, sondern Wortwitz